Auf einmal war ich Scanner – Wie ein Buch mein Leben veränderte
Wie viele Etiketten es auf der Welt gibt, wusste ich 2008 noch nicht, als ich „Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast.“ von Barbara Sher las. Das Buch habe ich verschlungen und wurde „über Nacht“ zur Scanner-Persönlichkeit 😊
Ich habe mich von Barbaras verständnisvollen Worten sowas von abgeholt gefühlt. Endlich war ich nicht mehr faul oder konnte nichts zu Ende bringen, sondern ich war ein Scanner. Jemand, der viele Interessen und Fähigkeiten hat. Das klang wertschätzend, anstatt verurteilend.
In meiner Kindheit zum Beispiel hatte ich immer wieder neue Hobbies und meine Eltern waren genervt davon. „Nie bleibst du an was dran!“, „Entscheide dich halt mal für was!“ waren Sätze, die ich oft gehört habe und die mich verunsicherten. War ich falsch, nur weil mich etwas kurzzeitig begeisterte und dann wieder das nächste spannende Thema in mein Leben kam? Die Vielfalt meiner Interessen (was für mich auch ein Ausdruck für das Leben ist) oder dass ich Vieles konnte, wurde nicht gesehen oder erwähnt.
Barbara Sher hat den Begriff der „Scanner-Persönlichkeit“ geprägt. Sie beschreibt damit Menschen, die unzählige Interessen und Talente haben und sich schwer damit tun, sich dauerhaft auf nur eines festzulegen. Während die Gesellschaft oft erwartet, dass man einen klaren Weg verfolgt, zeigt sie: Scanner sind keine „Unentschlossenen“, sondern kreative Vielbegabte, die aus ihrer Vielfalt große Stärke schöpfen können.
Kennst du dieses Gefühl, wenn du plötzlich verstehst, warum du „anders“ bist – und alles auf einmal Sinn ergibt?
Im Buch beschreibt sie sowohl unterschiedliche Scanner-Typen, als auch passende Strategien, wie man mit den Auswirkungen von (zu) vielen Interessen und Fähigkeiten umgehen kann. Einige habe ich ausprobiert.
Zum Beispiel gibt es das Stundenplanmodell, bei dem du dir – wie in der Schule – eine Art Stundenplan erstellst, in dem unterschiedliche Fächer (Interessen) vorkommen, die dich begeistern oder die du gerne ausprobieren möchtest. Jedes Mal, wenn ich über so eine Art Zeitplan nachdenke, bin ich ganz euphorisch und freue mich riesig über die Umsetzung. Doch oft fühle ich mich nach kurzer Zeit auch wieder davon eingeengt.
Hast du auch schon versucht, dein Chaos mit Plänen zu bändigen – und bist dann trotzdem wieder ausgebrochen?
Was ich extrem heilsam fand, war das Projektbuch für Scanner. Dort hinein schreibst du ALLE Ideen, die du im Laufe der Zeit hattest oder hast. Wer viele Interessen und Fähigkeiten hat, hat oft das Gefühl, dass die Ideen verloren gehen, weil man so viel auf einmal nicht umsetzen kann. Vielleicht kennst du auch das Gefühl gar nicht erst anzufangen, weil der Berg an Aufgaben einfach nicht bezwingbar scheint.
Als ich mein Projektbuch anlegte und begann darin meine Ideen zu notieren, merkte ich sofort eine Erleichterung. Das heißt nicht, dass ich sie alle umsetzen werde, aber sie sind aus dem Kopf – auf dem Papier bewahrt und haben so größere Chancen umgesetzt zu werden.
Seit dieser Zeit bin ich eigentlich immer auf der Suche nach „meiner“ Art der Planung. Nach dem perfekten Zeitplan. Danach all meine Interessen unter einen Hut zu bekommen. Und bei meinen Arbeitsstellen war selten eine davon vertreten …
Heute bin ich Mama von einem Jungen, habe Katze, Hund, Haus und eine Firma mit meinem Mann. Daneben liebe ich Zeichnen, Lesen, Kochen & Backen, Gesellschaftsspiele, Klavierspielen, Inlinerfahren, Tanzen, Krafttraining, Yoga und noch vieles, vieles mehr.
Schaffe ich immer alles, was ich mir wünsche? Nein, sicher nicht. Manchmal fühle ich mich regelrecht erschlagen von den Alltagspflichten neben den Dingen, die ich gerne machen würde. Ein Tag hat nie genug Stunden für all die Interessen und Hobbies, die ich brauche, um in meiner Mitte zu bleiben.
Gleichzeitig schaffe ich mir Räume für alles, was mir wichtig ist. Scanner benötigen das ganz besonders. Ich nutze zum Beispiel die App „todoist“, um mir weder zu wenig, noch zu viele Aufgaben an einem Tag einzuplanen. Mit der Kalenderfunktion sehe ich auf einen Blick, was und wie viel ich am jeweiligen Tag zu tun habe und wo Freiräume für z. B. Kreativität sind.
Fühlst du dich manchmal hin- und hergerissen zwischen zu viel Wollen und zu wenig Zeit?
Es ist gut, Listen, Kalender und Pläne zu haben, und gleichzeitig brauchen wir Freiräume für alles, das uns glücklich macht. Kein starres System wird eine Scanner-Persönlichkeit je erfüllen – geschweige denn befreien. Aber es gibt viele Wege, um mehr Leichtigkeit und Zufriedenheit zu empfinden.
Manchmal denke ich, es wäre leichter, wenn mich weniger interessieren würde. Wenn ich einfach zufrieden wäre mit einem einzigen Weg, einem klaren Ziel. Aber so bin ich nicht – und das wird sich wahrscheinlich auch nie ändern. Ich habe akzeptiert, dass mein Kopf manchmal zu voll und mein Herz zu weit ist. Und trotzdem möchte ich nichts davon missen. Denn irgendwo zwischen Überforderung und Begeisterung, zwischen Chaos und Kreativität, liegt mein Leben.
Ich glaube, wir dürfen lernen, aus dieser Vielfalt Kraft zu schöpfen, ohne uns ständig zu überfordern. Das ist mein Weg – und vielleicht auch deiner?
Wenn du dich wiedererkennst, bist du wahrscheinlich auch ein Scanner. Schreibe mir doch einen Kommentar, wie es dir damit geht! Ich freu‘ mich drauf.
Deine
Isabelle